Bevor ich nach Grossbritannien fuhr, machte ich noch einen Stopp in Calais. Einige Monate vor meiner Abreise hatte ich eine Doku über den Aufbau des grössten Aquarium Europas im Fernseher gesehen, Nausicaá. Dieses ist in Boulogne-sur-Mer, in der Nähe von Calais. Als ich mich der Küste näherte fielen mir Schilder auf, auf denen "KEEP RIGHT" stand. Das wunderte mich, da die Franzosen nicht wirklich dafür bekannt sind eine Fremdsprache zu sprechen. Als ich dann an die Küste kam und auf der anderen Seite des Ärmelkanal England sichtbar wurde, wurde mir auch der Sinn dieser Tafeln klar.

Das Motorrad war in Calais sicher in einer Garage abgestellt und ich nahm den Zug nach Boulogne-sur-Mer. Vom Bahnhof dort sind es ca. 20 Minuten Fussweg zum Nausicaá National Sea Center. Ich zahlte den Eintritt und begab mich in den Teil, wo das riesige Aquarium ist. Dort wurde eine Tiefseeumgebung nachgebildet. Die Atmosphäre und Hintergrundmusik, die das vorherrschen wirken sehr beruhigend, alles ist eher in dunkleren Farbtönen gehalten und man erfährt viel über das Leben der Tiere in der Tiefsee und über die Probleme mit denen sie heute zu kämpfen haben. Nausicaá ist nicht ein Zoo mit Fischen wo man die klassischen Tafeln finden mit Namen, Herkunft, Grösse, Nahrung. Es ist eine Forschungsstation, die jedermann zeigen will, was für eine Artenvielfalt wir noch in unseren Meeren haben und dass sie in Gefahr ist. Aber natürlich ist es toll all diese Meeresbewohner zu sehen, in einem Tunnel von ihnen umgeben zu werden und sie im Wasser gleiten zu sehen. Man läuft durch das Aquarium, liest was an den Wänden steht und sieht sich die Tiere an und plötzlich kommt man in einen grossen Saal und hört nicht mehr auf zu staunen. 20 Meter breit, 5 Meter hoch und 38 cm dick. besteht eine Wand aus einer Scheibe, die einem direkten Einblick in das Grosse Becken erlaubt. Man kann sich dort hinsetzen oder einfach stehenbleiben und zuschauen wie Haie, Fische und Rochen ihre Runden drehen. Einfach atemberaubend. Wer noch nie da gewesen ist, sollte unbedingt mal hingehen.

Am nächsten Tag fuhr ich mit der Fähre nach Dover und von dort weiter Richtung London. In einem Aussenbezirk der Stadt hielt ich auf einem Campingplatz. Der Preis für die Nacht war etwa gleich wie in Norwegen. 22 Pfund um ein Zelt für eine Nacht aufzustellen. Bevor ich weiter nach Norden fuhr, hielt ich im Ace Café London um zu frühstücken und fuhr dann weiter. Am Abend suchte ich wieder einen Campingplatz auf, 18 Pfund, und diesmal war der Campingplatz mitten in der Pampa. Ich suchte im Internet nach günstigen B&B oder Hostels, und fand solche, wo ich den gleichen Preis für die Übernachtung zahlte wie auf den Campingplätzen. Als ich welche fand, beschloss ich in diesem Land nicht mehr zu Campen. Nicht nur die Preise waren ausschlaggeben dafür, sondern auch das Wetter. Die Temperaturen waren etwa gleich wie in Norwegen, und dort war ich immer Campen, nur hier kam die Feuchtigkeit noch dazu. Es regnete ab und zu und war auf den Bergspitzen neblig, und dies lies die gefühlte Temperatur sinken. Ausserdem muss man sich überlegen, wenn man 18 Pfund für einen Zeltplatz und 18 Pfund für ein Hostel zahlt, was ist da bequemer?

Am vierten Tag auf der Insel kam ich bei Sonnenschein an die Schottische Grenze. Ich machte den obligatorischen Fotostopp und fuhr weiter nach Polmont, welches zwischen Edingburgh und Falkirk liegt. Dort übernachtete ich in einem kleinen Manor etwas ausserhalb. Der Preis war gut und das Motorrad sicher abgestellt. Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Bus nach Falkirk um mir das Falkirk Wheel anzuschauen. Ein Schiffshebewerk, das auf der Welt einmalig in seiner Bauart ist. Es befördert Boote über einen Höhenunterschied von 24 Meter. Es gibt also nicht die Typischen Wannen, die geflutet und geleert werden, wie man sie z.b. im Panamakanal findet.  Es gibt zwei Wannen in die die Boote reinfahren können und dann dreht sich die ganze Anlage um 180° wie ein Riesenrad.
Nachdem ich dem Falkirk Wheel ein paar Umdrehungen lang zugeschaut hatte fuhr ich weiter zu den Kelpies. Ich hatte schon Fotos davon gesehen, aber dass sie so gross sind hatte ich nicht erwartet. Es handelt sich um 30 Meter hohe Stahlskulpturen, die zwei Kelpien, Wassergeister, in Pferdegestalt darstellen. Mich würde es wundernehmen wie Pferde auf diese Skulpturen reagieren. Erkennen sie Die Pferdeköpfe als solche oder sehen sie die Skulpturen nur als grosse stählerne Dinge?

Edingburgh war mein Ziel für den nächsten Tag. Die Sonne schien und es war untypisch warm für Schottland. Zuerst lief ich ein bisschen ziellos durch die Altstadt, schaute mir ein paar Dinge an, die ich mir rausgeschrieben hatte und besuchte ein paar Drehorte von Trainspotting. Am Nachmittag besuchte ich eine Free Walking Tour. Die Gratis-Touren gibt es mittlerweile fast in jeder Grossstadt und man erhält dabei einen kurzen Überblick über die wichtigsten Orte und geschichtliche Ereignisse. Nach der Tour lief ich noch ein bisschen durch die Stadt und ging wieder zum Bahnhof. Mein Ticket wurde beim Eingang zum Perron nicht akzeptiert. Was ich nicht verstand. Ein Mann der dort arbeitete erklärte mir dann, dass das Ticket erst nach 18.30 Uhr gültig sei. Ich musste also eine weitere halbe Stunde totschlagen und ging ins nächste Pub.

Weiter ging meine Reise nach Inverness, zum Start der North Coast 500 (NC500). Eine 500 Meilen langen Strecke an der Nordküste Schottlands entlang. Es war bewölkt und es windete. Die Bergspitzen waren zum Teil mit dichtem Nebel bedeckt, so dass ich langsamer fahren musste. In Inverness angekommen, fand ich heraus, dass ich die Snow Road gefahren war, eine weitere Panoramastrecke der schottischen Highlands. Viel sehen konnte ich wegen den Wetterbedingungen nicht, aber das was zu sehen war, war toll. Ich übernachtete in Inverness im Youth Hostel und konnte mein Motorrad vor der Eingangstür abstellen, weg vom Parkplatz und der Strasse. Es stand bereits ein anderes Motorrad dort und ich unterhielt mich mit dem Fahrer. Er hatte die NC500 gerade hinter sich und warnte mich, dass sie nicht ganz einfach sei, viele einspurige Teilstrecken, Schaffe und deren Notdurft auf der Strasse, Leute die mitten auf dem Weg anhielten um Fotos zu machen, Schlaglöcher usw. Ich würde vielleicht nur 100 Meilen (160 km) am Tag schaffen.
Ich fuhr am nächsten Tag los, alles der Küste entlang nach John O'Groats, dem Ende der Strasse. Weiter kommt man nicht. Nach einem kurzen Stopp fuhr ich weiter zum nördlichsten anfahrbaren Punkt Schottlands, Dunnet Head. Das Wetter wurde langsam besser und die Landschaft offenbarte sich als wahres Prachtstück. Ich schaffte es bis nach Durness. Dort übernachtete ich wieder in der Jugendherberge und besuchte eine kleine Höhle, die gleich Nebenan war.
Am nächsten Tag ging es weiter auf der NC500. Die Landschaft atemberaubend. Die Highlands waren eindrücklicher als man sie von den Fotos und Filmen kennt, nach jeder Kurve hätte man anhalten können und die Landschaft geniessen und Fotos machen. Aber da man mit dem Motorrad auch fahren will, geniesst man auch einfach nur das Fahren in einer solchen Gegend. Hier, im Westen, gab es mehrere Single Track Roads. Einspurige Strassen mit Ausbuchtungen um den Gegenverkehr vorbeizulassen oder schnellere Fahrzeuge überholen zu lassen. In der Schweiz gibt es auch solche Strecken, aber meisten kommen ein Auto und ein Motorrad aneinander vorbei, in Schottland nicht. Ich fuhr bis nach Gairloch. 260 km an diesem Tag, Ich fragte mich, welche Strassen der andere Motorradfahrer gefahren ist, dass er nur 160 km am Tag schaffte. Ich fuhr ja nicht schnell, aber kam gut voran.
Der letzte Tag auf der NC500 führte mich wieder über fabelhafte Landschaften nach Apple Cross. Wie es der Zufall wollte erreichte ich mit Apple Cross auch die ersten 20'000 km auf meiner Reise. Die Strecken, die mit Fähren zurückgelegt wurden nicht mitgezählt. Nach einem kurzen Stopp ging es über einen weiteren Single Track Pass nach Oban, wo wieder mal Waschtag angesagt war. Ja, auch das gehört zu einer langzeitreise dazu. Von Oban ging es zum südlichsten Punkt von Schottland, Mull of Galloway. Am nächsten Tag ging es dann mit der Fähre weiter nach Nordirland.

 

Fotos Nausicaà

Fotos Scottland

Bevor es in die Benelux-Länder ging, verbrachte ich noch ein paar Tage in Deutschland. Die ersten Tage verbrachte ich in der Nähe von Kiel. Anschliessend wurde das Motorrad zum Honda-Händler für die Wartung gebracht. Nachdem die Wartung erledigt war, fuhr ich zu meinem nächsten Ziel, die Transrapid-Teststrecke. Was ein Vorzeige-Projekt deutscher Ingenieurskunst hätte sein sollen, gammelt jetzt vor sich hin. Beim Transrapid handelt es sich um eine Magnetschwebebahn, die Spitzengeschwindigkeiten von über 450 km/h erreichen kann. Es gab schon Pläne für Strecken in ganz Deutschland, doch zunehmende Entwicklungskosten und ein tragischer Unfall mit 23 Toten 2006 bedeuteten das Ende für die Transrapid. Nichtsdestotrotz ist heute eine Strecke aktiv und wird von Millionen von Leuten genutzt. Nicht in Deutschland, aber in China. In Shanghai wird der Transrapid als Shuttle-Zug zwischen Flughafen und Stadt genutzt.

Nachdem ich die Teststrecke besucht hatte, fuhr ich weiter nach Düsseldorf. Dort erwartete mich bereits Divya. Ihr Mann war vor kurzem verstorben und ich blieb ein wenig bei ihr, bevor es in die Niederlande ging.

Für Motorradfahrer bietet das Land nicht viel, nicht in dem Teil, den ich gefahren bin. Die Landschaft ist flach und Kurven hat es kaum. Ich fuhr also den Tag durch, sah mir hier und dort Windmühlen an und übernachtete auf einem Campingplatz bei einem Bauernhof. Der nächste Tag verlief gleich und ich erreichte am Abend Gent in Belgien. Auch hier wieder war das Land flach mit wenig Kurven. In Gent übernachtete ich auf einem Campingplatz am Stadtrand. Von hier aus gab es einen Gratis-Shuttlebus in die Stadt. Ich traf mich wieder mit Barbi, die Freundin (oder jetzt Ex-Freundin???) von Robert, der in Schweden ums Leben kam. Wir hatten uns bereits in Düsseldorf getroffen. Wir besuchten zusammen die Altstadt von Gent. Die Stadt ist schon sehr touristisch, aber nicht so wie z.B. Amsterdamm. Barbi und ich verbrachten den halben Tag zusammen in Gent. Am Abend fuhr sie weiter und ich übernachtete wieder auf dem Zeltplatz. Mein Ziel für den folgenden Tag war Deutschland, oder wenigstens Grenznähe. Ich beschloss also nicht alles über Land zu fahren, sondern Brüssel über die Autobahn zu umfahren. Ich legte einen Stopp in Lüttich ein um mir ein verlassenes Observatorium anzuschauen. Viel konnte man nicht sehen, denn das Gelände befand sich in einem Privatquartier und war abgeschlossen. Als ich weiterfuhr, sah ich Wegweiser nach Spa. In meinem Kopf fing es an zu rattern…irgendwas war doch in Spa???... Dann machte es "klick", da muss doch eine Rennstrecke sein wo die MotoGP war. Ich fuhr also nach Spa, durch die Ortschaft durch und schon war ich nach ein paar Kurven bei der Rennstrecke. Ich machte einen Spaziergang am Streckenrand, schaute den Autos zu, die ihre Runden drehten und fuhr weiter nach Deutschland.

Der Tag war lang gewesen und ich beschloss mir ein Zimmer zu nehmen. Ich fand ein Biker-Hotel in der Eiffel, nahm mir ein Zimmer und ass im Restaurant. Am selben Tisch sassen Astrid und Axel. Auch sie waren mit dem Motorrad unterwegs. Sie machten dort Halt um sich am Wochenende die DTM auf dem Nürburgring anzuschauen. Wir unterhielten uns den ganzen Abend übers Motorradfahren, meine Reise und dieses und jenes. Am nächsten Morgen trafen wir uns wieder zum Frühstück und anschliessend ging jeder wieder seiner Wege. Sie fuhren zum Ring und ich nach Zweibrücken.

Zweibrücken war aus zwei Gründen mein nächstes Reiseziel. Als ich in Kiel war, hatte ich eine neue Brille bestellt und ich konnte sie in Zweibrücken abholen. Der zweite Grund ist aber interessanter. Die Hochschule dort hat eine Sternwarte. Diese sieht aus wie R2D2 aus Star Wars. Also auf jeden Fall einen kurzen Besuch wert.

Nach dem Kurzbesuch bei R2D2 fuhr ich weiter in Richtung Luxemburg und übernachtete an der Grenze auf einem Campingplatz bei der Mosel. Am Abend ging ich zu Fuss über eine Brücke nach Luxemburg, genoss ein Abendessen und ging schlafen.

 

Fotos Benelux

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