Die Fähre nach Helsinki startete kurz nach 12 Uhr. Es war meine erste Fähre in dieser Grösse. Über eine Rampe fuhr man in den Rumpf des Schiffes. Platzeinweiser zeigten dir wo man das Motorrad hinstellen musste. Danach schnappte man sich Zurrgurte, die zur Verfügung standen, und befestigte das Fahrzeug so, dass es während der Überfahrt nicht umfallen oder wegrutschen konnte. Die Fahrt dauerte ca. zwei Stunden. In Helsinki angekommen, wurden die Gurte gelöst und man konnte wieder hinausfahren aufs Festland.
Die Fahrt aus Helsinki raus kostete mich mehr als eine Stunde. Fast jede Ampel war rot und der Verkehr ging nur langsam voran. Einmal aus der Stadt ging es auf der Autobahn Richtung Osten schnell nach Savonlinna, wo ich das erste Mal in Finnland übernachtete. Es war ein langer Tag gewesen und ich ging bei Sonnenuntergang schlafen. In wenigen Tagen sollte es keine Nacht mehr geben.
Die nächsten Ziele waren die Burg in Ovanlinna und der östlichste Punkt der EU. Ich hielt kurz an der Burg an, machte einen kleinen Spaziergang und fuhr weiter. Die Fahrt war ruhig und es hatte wenig Verkehr. 18 Kilometer vor dem Ziel hörte der Asphalt auf und es begann eine Schotterstrecke. Es war Kein loser Schotter, sondern schön festgepresst und man konnte in den Fahrspuren ohne grosse Probleme fahren. Ich fuhr langsam an und bekam Meter für Meter mehr vertrauen in mich selbst und das Motorrad. Schliesslich waren meine Erfahrung auf solchen Strassen auf die paar Meter auf den Campingplätzen limitiert. Am östlichsten Punkt angekommen, machte ich eine kleine Pause und schaute aufs andere Ufer nach Russland. Robert war am Tag zuvor dort und wurde von Mücken belästigt, ich hatte keine einzige gesehen oder gehört. Die 18 Kilometer Schotter mussten nun wieder zurückgefahren werden. Dies ging deutlich leichter als der Weg hin. Auf den geraden Strecken wurde das Gas mehr und mehr aufgedreht und um die Kurven ging es auch zügiger rum.
Die Strassen, die ich Finnland gefahren bin, haben nicht viel zu bieten. Schaut man nach links, sieht man Wald, schaut man nach rechts, sieht man Wald, schaut man wieder nach links, ist ein See da…. Das ging durch ganz Finnland so. Meistens sind es gerade Strassen mit wenigen leichten Kurven. Im Norden wird es dann ein wenig hügeliger. Eine ziemlich monotone Fahrt.
Ich fuhr in nordwestlicher Richtung und in zwei Tagen gelangte ich nach Kemi, wo ich mir die Sampo anschaute. Ein alter Eisbrecher, der jetzt für Rundfahrten genutzt wird. In Rovaniemi machte ich einen Tag Halt. Ich wollte zum Weihnachtsmanndorf und mir Rovaniemi anschauen. Der Campingplatz war in der Nähre des Ortszentrum. Zum Weihnachtsmann war es eine Fahrt von einer viertel Stunde. Und was ich dort vorfand, war die pure Enttäuschung. Ein Souvenirshop nach dem anderen. Zwar war der Weg zum Weihnachtsmann selber gut gemacht, überall lagen Schachteln und Kisten rum und man hörte es hämmern und sägen, für Kinder bestimmt toll. Dann gelangte man zum Weihnachtsmann und man konnte sich neben ihn setzen, es wurden ein paar Fotos gemacht und es ging wieder raus. Den Weihnachtsmann treffen ist um sonst, will man das Foto mit ihm kaufen, kostet es 30€. Und so ist das ganze Dorf aufgebaut. Nichts vom Weihnachtszauber, nur Kommerz.
Dennoch gibt es führ Reisende wie mich ein Highlight dort, der Polarkreis führt direkt durch das Dorf. Nördlich davon gab es keine Nacht mehr.
Nach dem Weihnachtsmann ging ich zurück auf den Campingplatz um etwas zu essen. Anschliessend spazierte ich durch Rovaniemi und fand mich plötzlich auf dem "Lordi Square". Ich schaute mich um und sah ein grosses Plakat, "Extra Lordinary – Lordi Exhibition Rovaniemi 2019". Für umsonst. Also nichts wie rein. Die Ausstellung war nicht gross, aber es waren von jedem Musiker der Band mindestens drei Kostüme vorhanden. Von 2001 bis heute. Auch der ESC-Pokal von 2006 war ausgestellt. Nach der Enttäuschung im Weihnachtsmanndorf war die Ausstellung ein schöner Muntermacher und das Highlight in Rovaniemi.
Als ich in Rovaniemi ankam, waren es 30° Celsius, als ich nach zwei Tagen weiter fuhr nur noch 9°. Ich fuhr nach Inari, wo ich eine letzte Nacht in Finnland übernachtete. Den ganzen Tag war ich leicht am Frieren. Auf dem Campingplatz angekommen fragte ich nach den Preisen. 20€ fürs Zelten und 25€ für ein kleines Zimmer mit zwei Betten. Bad und Dusche waren im Gebäude gegenüber. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Nach dem kalten Tag freute ich mich auf das warme Zimmer. Als ich am Abladen war, lernte ich Anne Kathrin kennen. Sie war seit Mai mit ihrem VW Caddy und dem Kajak unterwegs in Skandinavien. Wir beschlossen zusammen zu essen und unterhielten uns über unsere Reisen. Für Ausgang hatte ich auch schon gesorgt. Kurz vor dem Essen kamen zwei Deutsche mit einem Bimobil an, einem Offroad-Wohnmobil. Als ich die sah, fragte ich sofort, ob ich vielleicht später mal einen Blick reinwerfen könnte, so Dinger interessieren mich und wenn sich mal die Gelegenheit bietet… Sie sagten zu, ich könne einfach anklopfen und mir ihr Fahrzeug anschauen. Nach dem Essen gingen Anne Kathrin also "aus" und klopften bei den Deutschen an. Sie zeigten uns ihr Fahrzeug und erklärten einige Dinge, weiter Sprachen wir auch über unsere Reisen. Manchmal kann Ausgang auch dies sein, Leute, die man gerade kennengelernt hat auf dem Campingplatz besuchen und ein nettes Gespräch.
Danach wurde es Schlafenszeit, am nächsten Tag sollte es nach Norwegen gehen. Ich traf noch auf Senni und Heidi, zwei finnische Mädels, die wir beim Essen zuvor kennengelernt hatten. Wir unterhielten uns noch eine Weile und ich erfuhr so, dass es nach 22.30Uhr kein warmes Wasser in den Duschen mehr gab. Mist! Wir unterhielten uns noch eine Weile und gingen dann alle in unsere Betten. Am nächsten Tag waren wir alle etwa gleichzeitig auf und Reisefertig. Wir verabschiedeten uns und jeder ging wieder seinen eigenen Weg.
Es war nicht wärmer geworden. Ich fuhr gut eingepackt Richtung norwegische Grenze. Auf dem Weg dort hin sah ich dann die ersten Rentiere. Sie standen rechts in einer Wiese und assen. Ich hielt sofort an und schoss ein paar Fotos. Als ich an die Grenze kam war das Wetter besser geworden. Die Sonne schien und es war angenehm warm. Kurz ein letztes Mal volltanken, die letzten Pfandflaschen abgeben und es ging über die Grenze nach Norwegen.

 

Fotos

Nach meinem Besuch bei Heiko und Anja ging es für mich noch ein bisschen weiter durch Deutschland. Auf dem Weg nach Polen besuchte ich die Göltzschtalbrücke, die grösste Ziegelsteinbrücke der Welt mit seinen 98 Bögen. Anschliessend ging es weiter Richtung Spreewald. Ich übernachtete auf einem kleinen Campingplatz in der Nähe von Finsterwalde, dem Campingplatz Bornsdorf "Am Waldsee". Am Abend zuvor hatten sie einen Line-Dance-Event dort und waren gerade mit dem Abbauen beschäftigt, die Küche hatte zu. Ich hatte nur etwas Brot und ein paar Nüsse dabei. Die nette Dame an der Rezeption bot mir etwas vom Grill an, den sie für die Arbeiter aufgestellt hatten. Das war einfach super! An so Leute erinnert man sich gerne, sie machen eine Reise wie die meine noch spezieller. Im Gespräch mit den Leuten dort, wurde mir empfohlen die F60 anzuschauen, die grösste bewegliche technische Arbeitsmaschine der Welt. "Fahr einfach mal da hin und guck sie dir von aussen an. Man kann auch rein, wenn man will". Also fuhr ich am nächsten Tag hin. Mich erwarteten lauter Festivalbesucher, die auf dem Nachhauseweg waren. Anscheinend war dort gerade ein Festival zu Ende. Ich guckte mir die Maschine also von aussen an und fuhr weiter Richtung Spreewald, machte meine Runde durch Lübbenau. Über die Autobahn ging es Richtung Norden.

Bei Stettin überquerte ich die Grenze nach Polen und fuhr dann über Land weiter bis nach Szczecinek, dort gönnte ich mir ein Hotelzimmer. Es war den ganzen Tag ziemlich frisch gewesen und ich hatte keine Lust auf Camping. Als ich nach etwas Essbarem suchte, fiel mir auf, dass alle Restaurants bereits geschlossen waren, und dies um 20.30 Uhr. Zum Glück fand ich einen kleinen Laden, der bis 23 Uhr geöffnet hatte. Etwas Käse, etwas Fleisch, etwas Brot und schon war mein Abendessen bereit.
Am nächsten Tag ging es nach Danzig. Dort erwarteten mich Eliza und Mironq. Beide habe ich 2015 in Georgien kennengelernt. Eliza war die Gastgeberin im Hostel wo ich damals fest sass. Kaum angekommen, machte sich Eliza daran Khachapuri vorzubereiten, eine georgische Spezialität. Abend machten wir gemeinsam einen Spaziergang durch Danzig und gönnten uns ein Bier. Den nächsten Morgen verbrachte ich alleine in Danzig. Eliza arbeitete den Morgen und Mironq den ganzen Tag. Nachmittags sind Eliza und ich zum Hevelianum, ein Hügel in Danzig, von dem man über die ganze Stadt schauen kann. Ich blieb noch eine Nacht bei ihnen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Eliza und Mironq!
Das nächstes Ziel auf meiner Bucket-Liste war das geografische Zentrum Europas in der Nähe von Vilnius. Ich schaffte es bis Suwalki nahe der Grenze zu Litauen. Dort fand ich einen kleinen bikerfreundlichen Campingplatz. Der ganze Check-In-Ablauf ging problemlos und einfach vor sich. "Habt ihr Platz", "Ja, suche dir irgendeinen Platz aus, dort sind die Duschen und Toiletten". Einfach, unkompliziert, freundlich. So will man das haben. Ich fuhr weiter, über die Grenze nach Litauen und weiter nach Trakai für einen Fotostopp. Ich schaute mir das Wasserschloss nur von aussen an, es war heiss und es hatte zu viele Leute dort. Also ein paar Fotos, etwas trinken und weiter zum Zentrum Europas. Dort traf ich auf einen Litauer, der auf Freunde wartete. Als diese dann ankamen, ein Mann und eine alte Dame, erzählte der Mann, dass ihm jemand die Batterie aus dem Auto geklaut hatte. Nach einem kurzen Gespräch über dies und das fuhr ich weiter in Richtung Berg der Kreuze. Ich wusste, dass ich es nicht bis dorthin schaffen könnte, also suchte ich abends einen Campingplatz auf dem Navi und fand einen mitten im Wald. Im Wald kam ich an eine Kreuzung, geradeaus, Schotter, Links, Schotter, Rechts, Asphalt. Auf dem Navi sah ich, dass recht auch ein Campingplatz sein müsste, also fuhr ich mal dort hin. Es war niemand zu sehen, nur zwei Hunde die bellten. Ich schaute mich etwas um. Es sah aus wie ein Ferienlager. Mehrere Hütten, Sportplatz, Gemeinschaftssaal... Dann kam ein Auto. Eine junge Frau stieg aus. Ich fragte ob dies hier ein Campingplatz sei und ob es möglich ist zu übernachten. Sie erklärte mir, dass sie eigentlich erst einen Tag später aufmachen würden und es ein Lager für Kinder sei. Sie fragte aber die Chefin ob ich dort übernachten durfte und ich kriegte sogar eines der Zimmer für eine Nacht. Am nächsten Morgen war niemand zu sehen, wieder waren nur die Hunde dort. Ich packte mein Motorrad, lies das Geld fürs Zimmer und die Schlüssel auf dem Tisch im Zimmer und fuhr zum Berg der Kreuze. Als ich dort ankam, sah ich schon, dass es für viele Besucher eingerichtet war. Ich parkte mein Motorrad und ging zum Berg. Naja, eigentlich ist es ja nur ein Hügel und nicht mal ein besonders grosser, eher eine kleine Erhebung. Aber es befinden sich über 200'000 Kreuze auf ihm. Dort traf ich auf Thomas, der mit seiner GS im Baltikum unterwegs war. Er sagte mir, dass wir genug früh dort sind, noch bevor der Ansturm der Touristen komme. Also Fotos gemacht und weg.
Lettland war leider nur ein Durchfahrtsland. Ich fuhr durch Riga und dachte mir "Diese Stadt musst du eines Tages besuchen". Abends übernachtete ich ca. 30 km vor der Grenze zu Estland auf einem "Campingplatz". Es hatte kein Wasser, keine Duschen, keinen Strom, gar nichts, der bis jetzt schlechteste Campingplatz auf dem ich bis jetzt war. Zum Glück war in der Nähe ein kleines Café wo ich etwas trinken konnte und das WLAN nutzen. Am nächsten Tag ging es nach Tallin, dort hatte ich ein Zimmer in einem Hostel gleich beim Hafen gebucht. Ich richtete mich ein und war mit Robert in Kontakt, der auch auf dem Weg zum Nordkap war. Er kam noch am selben Abend in Tallin an.
Nachdem er sein Zimmer bezogen hatte gingen wir auf die Suche nach etwas essbarem in der Altstadt. Wir waren beide über die Preise erstaunt. Die waren für EU-Verhältnisse recht hoch. Zum Teil ähnlich wie in der Schweiz.
Am nächsten Tag machten wir uns wieder zu Fuss auf den Weg durch Tallins Altstadt. Wir besuchten die Sehenswürdigkeiten und suchten Bier für maximum 3.50€. In der Altstadt fanden wir nichts. Auf dem Weg zurück zum Hostel gingen wir an einem Bunker vorbei. Draussen Stand die typische Werbetafel von Bars und Restaurant. Wir gingen die Treppe runter und fanden endlich unser Bier für 3.50€. Die Einrichtung und Dekoration erinnerten an die alte Sowjetunion. Die Bar hatte ihren speziellen Charme und bestimmt ist sie nicht für jedermann. Abends holten wir im Supermarkt etwas zu essen und assen im Hostel.
Das Wetter war am nächsten Tag besser und wir besuchten das Telliskivi-Viertel, das Künstlerviertel der Stadt. Die Graffitis und Gemälde an den Wänden waren grossartig, überall hatte es kleine Cafés und Restaurants. Ein Besuch lohnt sich. Was mir nicht so gefallen hat, war das es kein alternatives Flair hatte. Ich hatte es mir anders vorgestellt, mehr Freigeister oder alternativ Lebende, vielleicht mit etwas Hippie-haftem. Vielleicht ist es so gewesen als das Viertel wiederaufgebaut wurde, aber jetzt nicht mehr.
Für Robert ging es am nächsten Tag weiter mit der Fähre nach Finnland. Ich blieb noch einen Tag in Tallin, erledigte ein paar Sachen am Notebook und gönnte mir etwas Ruhe.

Dann ging es nach Finnland.

 

Fotos

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